Mittwoch, 28. August 2019

Schloss und Schlossgarten Schwetzingen | Allgemeines Klimanotstand. Auf der Suche nach der Zukunft der historischen Gärten

Der Klimawandel zeitigt inzwischen auch in den Schlossgärten dramatische Folgen. Bei einem Rundgang im Schlossgarten Schwetzingen zeigten Michael Hörrmann, der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, und Prof. Dr. Hartmut Troll, zuständig für die historischen Gärten, wie sich steigende Temperaturen und immer weniger Niederschläge jetzt schon konkret auswirken. Michael Hörrmann kündigt an: „Die Entwicklung im Schlossgarten zwingt uns jetzt, den Klimanotstand auszurufen. Das Kunstwerk Schlossgarten Schwetzingen ist massiv bedroht. Was uns bisher an Maßnahmen zur Verfügung stand, reicht nicht mehr aus.“

SCHÄDEN WERDEN IMMER DEUTLICHER SICHTBAR
50% der alten Buchen sind bereits so stark geschädigt, dass sie nicht mehr oder nicht mehr vollständig austreiben: So dramatisch stellt sich die Situation in Zahlen dar. Vor Ort, im Bild des Gartens, zeigt sich das auch für Laien deutlich an den vielfach schütteren Baumkronen und Kronenteilen; viele haben sogar schon gar keine Blätter mehr ausgebildet. Es handelt sich um den Altbestand der Buchen, die mit einem Alter von bis zu 200 Jahren die charakteristischen Bäume im landschaftlichen Teil des Schlossgartens sind. Hartmut Troll: „Damit geht der ursprüngliche und typische Baumbestand in den landschaftlichen Partien des kurfürstlichen Gartens, wie sie von Friedrich Ludwig von Sckell am 18. Jahrhundert angelegt wurden, verloren.“ Der international renommierte Gartendenkmalpfleger Hartmut Troll ist mit seinem Team bei den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg für die bedeutenden historischen Gärten zuständig, die in der Obhut des Landes stehen. Er fasst die bedrohliche Situation zusammen: „Das einzigartige Kunstwerk, der Schlossgarten der kurpfälzischen Sommerresidenz Schwetzingen, ist in seiner Substanz bedroht. Die Partien des Landschaftsgartens sind gefährdet. Das fragile System droht zu kippen“.

RHEINREGULIERUNG ALS HISTORISCHE GRUNDLAGE 
Die Gründe dafür reichen weit zurück und die Grundlage ist historisch: Durch die Rheinregulierung des 19. Jahrhunderts senkte sich der Grundwasserspiegel um sechs Meter gegenüber der Zeit, als der Schlossgarten entstand. Die Bäume sind seitdem ausschließlich auf Wasserversorgung von oben, also über Niederschläge, angewiesen. Zudem sind gerade die landschaftlichen Partien, in denen die Bäume eine so große Rolle für das Gesamtbild spielen, auf einem Ausläufer der „Mannheimer Düne“ angelegt, steht also auf Sand, der schlecht Wasser im Boden halten kann. Mit den zurückgehenden Niederschlägen der letzten Jahre sind die Bäume so sehr unter Stress geraten, dass schon gesunde Exemplare ganze Äste abwerfen. Nach und nach vertrocknen die alten Bäume. Noch ein weiteres Problem der zu geringen Wasserversorgung zeigt sich derzeit immer gravierender: Altbäume, die von Pilzen befallen sind, können unter normalen Wetterumständen noch lange leben, indem sie sich standhaft wehren. Unter extremem Trockenstress haben sie dafür nicht mehr die Kraft – der Pilz siegt, die Bäume sterben innerhalb weniger Wochen ab.

EIGENE BAUMSCHULEN FÜR GEEIGNETE JUNGBÄUME
Bei den Staatlichen Schlössern und Gärten setzt man längst auf ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Etwa auf die Naturverjüngung: Sämlinge der Altbestand-Bäume werden in den Schlossgärten in Schwetzingen, Rastatt-Favorite und Weikersheim in eigenen Baumschulen gezogen. Dafür braucht man einige Jahrzehnte Geduld, erläutert Hartmut Troll. „Es ist ein Langzeitversuch, um Jungbäume zu erhalten, die von Anfang an an das heute trockenere Klima gewöhnt sind.“ Lange Zeit haben die Staatlichen Schlösser und Gärten keine eigenen Baumschulen mehr betrieben. Geschäftsführer Michael Hörrmann fasst zusammen: „Der Aufwand ist beträchtlich – aber wenn ein einzigartiges Gartenkunstwerk wie der Schwetzinger Schlossgarten auch für künftige Generationen erhalten werden soll, müssen wir uns dieser Aufgabe stellen“.

ERSATZ VOM SÜDLICHEN RAND DER VEGETATIONSZONEN
Die Spezialisten diskutieren, ob man in einem Gartendenkmal Baumarten ersetzen kann: durch Bäume, die dem bisherigen Bestand ähnlich sind, aber eher im wärmeren und trockenen Südosteuropa wachsen. So soll künftig möglicherweise der Eichenbestand von Stieleichen zunächst auf die trockenheitsverträglicheren Traubeneichen umgestellt werden. Der nächste Schritt wären dann Flaumeichen, die im Mittelmeerraum zuhause sind – jedoch bilden diese nicht die mächtigen, erhabenen Baumkronen, um die es von Sckell in seiner Gestaltung ging. Guter Rat ist teuer, geht es doch in der Gartendenkmalpflege um den Erhalt von Substanz und Bildwirkung. Für andere Arten haben gibt es ohnehin keine Alternativen: Die Rotbuche, Fagus Silvatica, bietet keine Verwandtschaft aus einer trockeneren Klimazone. Hier werden sollen Exemplare anderer Herkunft, nämlich aus trockeneren Gegenden etwa in Ostpolen, nach Schwetzingen geholt werden, die schon länger den Umgang mit Wassermangel kennen. Prof. Dr. Hartmut Troll: „Wir gehen bei der Suche nach geeigneten Ersatzpflanzen in die Regionen, deren Klima der jetzt kommenden Situation entspricht.“

BODENWASSER-VORRÄTE GEHEN ZURÜCK
Auch was die Bodenwasservorräte angeht, ist der Blick der Fachleute eher sorgenvoll. Die Zahl der Starkregen hat zugenommen: Diese großen Wassermengen, die in kurzer Zeit fallen, werden vom Boden gar nicht aufgenommen, sondern fließen einfach ab. Fällt dann einmal Regen als stetiger, ergiebiger Niederschlag, so hilft das Rasen- und Wiesenflächen und Blumen. Für die Bäume jedoch ändert sich so schnell nichts. In den Tiefen, in denen sie ihre Wurzeln haben, kommt das Wasser gar nicht an, dort herrscht nach wie vor extreme Dürre. Die Bodenwasservorräte, die im Sommer 2018 so dramatisch geschrumpft sind, wurden über das anschließende Winterhalbjahr überhaupt nicht wieder aufgefüllt – was davon die Folgen sind, das beginnt nun gerade erst, sich zu zeigen.

GÄRTEN WERDEN SORGFÄLTIG ÜBERWACHT
Immer wieder sind inzwischen Fälle zu beobachten, in denen die gestressten Bäume beginnen, quasi aus reinem Selbsterhaltungstrieb, komplett grüne, gesunde Äste abzuwerfen. Aktuell erheben die Fachleute den Schadensbestand in allen Gärten und Parks, vom Norden des Landes bis an den Bodensee und von den Gartenanlagen im Osten des Landes, etwa in Weikersheim, bis zu den Anlagen am Oberrhein, etwa dem Schlossgarten Bruchsal oder dem Schlosspark Favorite Rastatt. Ziel ist es zuerst, schnell und gezielt agieren zu können: Wo müssen Wege und Zugänge gesperrt werden, um die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher zu gewährleisten? Auch wenn bereits klar ist, dass die unterschiedlichen geologischen Situationen zu sehr unterschiedlichen Schädigungszuständen führen – überall sind die Hitze- und Trockenheitsschäden an Bäumen zu beobachten.

DEUTSCHLANDWEIT ZUSAMMENARBEIT
Um Antworten in der aktuellen Situation zu finden, werden viele Möglichkeiten überprüft. Geschäftsführer Michael Hörrmann betont, dass der Umgang mit dem Klimawandel ein Thema ist, für das die Lösungen nicht in Baden-Württemberg allein gesucht werden können. „Die Fachleute der Staatlichen Schlösser und Gärten arbeiten bei der Suche nach Lösungen eng vernetzt mit den führenden Institutionen zusammen, etwa mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und den anderen großen Gartendirektionen, etwa der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.“ Entwickelt werden soll beispielsweise für die nächste Zukunft ein Frühwarnsystem für Baumstress.

Download und Bilder

Schlossgarten Schwetzingen

Bildnachweis

Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Nathalie Ott

Technische Daten

JPG, 1950x2600 Pxl, 1.13 MB