Blick in die Schlossgeschichte: Wasserspeier und frühere Hofstube entdeckt
Die vielfältigen Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten am Schwetzinger Schloss bringen zum Teil unerwartete Entdeckungen mit sich – etwa einen Wasserspeier aus dem frühen 16. Jahrhundert. Die Steinmetzarbeit hat sich unter der barocken Verkleidung des linken, nördlichen Schlossflügels erhalten. Bei den Arbeiten im Eingangsbereich stieß man auf die Mauern der Hofstube aus dieser Zeit. Bemerkt hat die außergewöhnlichen Funde aus der Schlossgeschichte Wolfgang Schröck-Schmidt, ein Mitarbeiter im Schwetzinger Team der Staatlichen Schlösser und Gärten.
EIN DRACHE, DER EINST WASSER SPIEH
Ohne ihn wäre der in Stein gehauene Drachenkopf an der Schwetzinger Schlossanlage wohl gar nicht aufgefallen: Wolfgang Schröck-Schmidt arbeitet seit mehr als 20 Jahren für die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg im Schwetzinger Schloss. Aus purem Interesse beobachtete der 55-jährige Kunsthistoriker die aktuell laufenden Restaurierungsarbeiten – und machte dabei eine Entdeckung. An einer Baunaht an der Westfassade, zwischen dem Renaissancebau und dem Anbau des 18. Jahrhunderts, wurde er auf einen historischen Wasserspeier unterhalb des Daches aufmerksam. „Der behauene Buntsandsteinblock war gut versteckt unter einer barocken Blechverkleidung“, erklärt Wolfgang Schröck-Schmidt. „Er stammt aus der Zeit der Erbauung des linken Flügels der Schlossanlage, also etwa aus der Zeit von 1520 bis 1530.“ Der Wasserspeier hat die Gestalt eines Drachenkopfes. Das Wasser floss aus seinem Maul und sprühte wohl im weiten Bogen in den Schlossgraben.
ENGAGEMENT UND FORSCHERGEIST
Der Schwetzinger Wasserspeier ist kein bedeutendes Kunstwerk – aber er ist ein Zeugnis aus jenen Jahrhunderten, bevor das Schloss sein barockes Aussehen bekam. Für die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg bedeutet der Fund des Wasserspeiers einen „Erkenntnisgewinn“, wie Michael Hörrmann, der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten, es formuliert. „Solche neuen
Entdeckungen helfen uns, die Anschaulichkeit unserer Führungen in den Schlössern zu erhöhen“. Und er merkt an: „Erfreulicherweise treffen wir in vielen der Schlösser, Klöster und Gärten auf ein so hohes Engagement bei den Mitarbeitern. Einfach nur ein ‚Job‘ ist die Tätigkeit für eines der Monumente des
Landes für keinen.“ Und er dankt dem engagierten Schwetzinger Schlossexperten: „Wolfgang Schröck-Schmidts Aufmerksamkeit ist es zu verdanken, dass wir von diesem Wasserspeier am Schloss wissen.“
EIN WEITERER FUND: HOFSTUBE AUS DEM 16. JAHRHUNDERT
Der Wasserspeier ist nicht der einzige Fund, der bei den Bauarbeiten zu Tage trat. Als bei den Sanierungsarbeiten im heutigen Eingangsbereich in der Mitte des Schlossbaus eine Zwischenmauer entfernt wurde, trat die Geschlossenheit eines großen Raumes erstmals wieder zutage. Es handelt sich dabei um die sogenannte Hofstube, einen Speisesaal vom Beginn des 16. Jahrhunderts. In dem beheizbaren Raum hatten gut 60 Menschen an Tischen und auf Bänken Platz. Aus zeitgenössischen Dokumenten weiß man, dass in solchen Sälen gemeinsam gegessen wurde: Auf einem Podest saß die Herrschaft mit den Burgverwaltern, Hofleute und Gesinde saßen abgestuft nach Rang an den Tischen.
DAS SCHLOSS WAR SCHON IM 16. JAHRHUNDERT BEDEUTEND
Nach diesem Fund muss die Bedeutung des Schwetzinger Schlosses in der Zeit der Renaissance wohl neu bewertet werden. Schlossexperte Wolfgang Schröck-Schmidt schließt aus der Größe des Saales, dass bereits zu dieser Zeit in Schwetzingen die Hofhaltung eine beachtliche Größe hatte. Und er folgert daraus,
dass Kurfürst Ludwig V. (1508-1544) dem damals noch unbedeutenden Ort Schwetzingen durchaus eine repräsentative Funktion zugedacht hatte, ablesbar an Größe seines Renaissanceschlosses. Sein imposanter Neubau bekam auf der Stadtseite zwei große Türme, von denen sich einer im jetzigen Schlossbau erhalten hat. Der Bau, drei Stockwerke hoch ausgeführt, hat sich als Teil des barocken Schlosses in seinen Außenmauern erhalten. Gut möglich, dass während der großen Reichstage in Worms 1521 und in Speyer im Jahr 1529 das Schwetzinger Schloss ein Ort des Rückzugs war „für die gestressten Kurfürsten“, wie Wolfgang Schröck-Schmidt es für die Schlossbesucher aus moderner Sicht erklärt. Damals residierte hier sogar allerhöchste Prominenz: Kaiser Karl V. hielt sich am 3. Dezember 1530 in Schloss Schwetzingen auf.
FASSADENARBEITEN SCHREITEN PLANMÄSSIG VORAN
Seit September 2014 ist das Schlossmuseum wegen der Fassadenarbeiten und Umbauten geschlossen. Derzeit sind noch die Sandsteinarbeiten an der westlichen Schlossfassade im Gang. Sie werden im September 2015 abgeschlossen. Anschließend folgen als nächstes Gewerk die Malerarbeiten. Bei den Sanierungsarbeiten wurde festgestellt, dass die Fassade durch die Witterung stärker geschädigt ist als bisher angenommen: Fast jeder Stein musste ausgebessert werden. Sandra Moritz, die Leiterin der Schlossverwaltung, betont, dass dennoch alle Arbeiten im Zeitplan sind. Für den Frühsommer 2016 ist die Wiedereröffnung des bis dahin wieder eingerichteten Schlosses geplant. Sandra Moritz: „Auch während der Sanierung finden alle Veranstaltungen wie gewohnt statt. Lediglich das Schlossmuseum ist bis 2016 nicht zugänglich.“
Freitag, 11. September 2015
Schloss und Schlossgarten Schwetzingen |
Allgemeines
ENTDECKUNGEN IM ZUGE DER RESTAURIERUNG
Die vielfältigen Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten am Schwetzinger Schloss bringen zum Teil unerwartete Entdeckungen mit sich – etwa einen Wasserspeier aus dem frühen 16. Jahrhundert. Die Steinmetzarbeit hat sich unter der barocken Verkleidung des linken, nördlichen Schlossflügels erhalten. Bei den Arbeiten im Eingangsbereich stieß man auf die Mauern der Hofstube aus dieser Zeit. Bemerkt hat die außergewöhnlichen Funde aus der Schlossgeschichte Wolfgang Schröck-Schmidt, ein Mitarbeiter im Schwetzinger Team der Staatlichen Schlösser und Gärten.