Der literarische Salon von Madame Geoffrin, Anicet Charles Gabriel Lemonnier  (1755)

Gesellschaftskritik auf der BühneVoltaires Tragödie„Das chinesische Waisenkind“

Als Gast des Kurfürsten Carl Theodor weilte der Dichter und Philosoph Voltaire in Schwetzingen. Der Aufenthalt in der Kurpfalz erweckte sein dichterisches Feuer – er begann die Tragödie „Das chinesische Waisenkind“. Das Thema: Chinas Besetzung durch die Mongolen.

Schloss und Schlossgarten Schwetzingen, Schlosstheater, Blick zur Bühne

Eine Bühne für die kritischen Werke Voltaires bot das Schwetzinger Schlosstheater.

EIN AUFKLÄRER IN DER KURPFALZ

1753 folgte Voltaire der Einladung des Kurfürsten Carl Theodor nach Schwetzingen. Der aufgeklärte Dichter war in Europa wegen seiner gesellschaftskritischen Stücke nicht sehr beliebt. Sie wurden daher nicht überall aufgeführt – anders als in Schwetzingen: Vier von Voltaires Werken ließ der pfälzische Regent im Schlosstheater aufführen. In Carl Theodor fand Voltaire einen Fürsprecher und Freund im Geiste – der Austausch inspirierte den angeschlagenen Dichter und beflügelte seine Kreativität.

Schloss und Schlossgarten Schwetzingen, Voltaire bei der Arbeit, Stich von P. Baquoy nach einem Gemälde von Monsiau

Der Aufenthalt in Schwetzingen inspirierte Voltaire zu neuen Werken.

DIE TRAGÖDIE „DAS CHINESISCHE WAISENKIND“

Die Großzügigkeit Carl Theodors beflügelte den Dichter: Voller Elan begann Voltaire an der Tragödie „Das chinesische Waisenkind“ zu arbeiten. Die Tragödie basiert auf einer Übersetzung eines chinesischen Spiels, das ein französischer Jesuitenpater als Missionar verfasste. Die ersten Absätze erhielt Kurfürst Carl Theodor bereits nach der Abreise Voltaires. Zwei Jahre später, am 20. August 1755 wurde „L’Orphelin de la Chine“ in Paris uraufgeführt – noch im selben Jahr wurde es in Schwetzingen gespielt.

Illustration zum Orphelin de la Chine 1786  (Jean-Michel  Moreau)

Illustration zum „L’Orphelin de la Chine“ aus dem Jahr 1786 von Jean-Michel Moreau.

CHINAS GESCHICHTE ALS MOTIV

In seinem Werk verarbeitete Voltaire die Zeit der mongolischen Eroberung Chinas – stellvertretend für die damals regierende Mandschu-Dynastie. Seine Geschichte handelt von einem Ehepaar, bei dem sich der Sohn des Kaisers vor Gengis Kan, deutsch „Dschingis Khan“ versteckt. Die Frau ist eine Jugendliebe des Königs der Tataren, die er ebenfalls fordert. Um die kaiserliche Blutlinie zu schützen, will das Ehepaar den eigenen Sohn hergeben und Selbstmord begehen. Am Ende verschont Dschingis Khan alle.

Illustration zu Candide 1787  (Jean-Michel  Moreau)

Illustration zu Kapitel 19 von Voltaires „Candide“ aus dem Jahr 1787 von Jean-Michel Moreau.

KRITIK AN DER SKLAVEREI

Bei seinem zweiten Besuch 1758 ließ Carl Theodor Voltaires Tragödie „Mahomet ou le fanatisme“, deutsch „Mahomet der Prophet“, aufführen. Darin stellte sich Voltaire gegen religiösen Fanatismus und Willkür. Während seines dreiwöchigen Aufenthalts arbeitete er an einem neuen Werk: „Candide“. Auf wenigen Seiten prangerte der Dichter die Missstände rund um den Globus an – besondere Kritik übte er an der Sklaverei. Aus den ersten Teilen von „Candide“ soll Voltaire dem Kurfürsten vorgelesen haben.

François-Marie Arouet (Voltaire), Porträt von Nicolas de Largillière, nach 1725

Voltaire kritisierte in seinen Werken die Missstände in der Welt.

DIE FASZINATION DES FREMDEN

Wie viele seiner Zeitgenossen studierte Voltaire die bekannten Briefe und Veröffentlichungen der reisenden Jesuiten und Missionare. Daher wusste er vieles über die in Europa weitgehend unbekannten Kontinente. In seinen Werken verarbeitete Voltaire dieses Wissen und nutzte es, um auf die Missstände in der Welt hinzuweisen. Bei seinen zahlreichen Aufenthalten an europäischen Höfen konnte der Philosoph seine Begeisterung für das Reich der Mitte und ferne Länder weitergeben.

Schon immer zeichnete sich Europa durch sein Interesse an der Welt und ihren Schätzen aus. Kenntnisse und Kostbarkeiten aus der Fremde erweiterten den Horizont und beeinflussten Kunst, Kultur und Wissenschaft. Die Themenwelt „Exotik“ zeigt das europäische Verlangen nach Exotik in seinem ganzen Facettenreichtum.

Exotik. Faszination & Fantasie